Samstag, 25. August 2012

Der andere Westen

Das war eine interessante und vor allem lange Fahrt heute! 560 km ging es keineswegs auf direktem Wege gebirgig nach Revelstoke. Der Reiseführer hatte die Strecke zum großen Teil als recht uninteressant, nur zum Durchfahren eingestuft. Das stimmt auch in gewisser Hinsicht. Einzigartiges gab es kaum zu sehen. Dennoch war es nicht langweilig, zumal ich den 100 km - Abstecher ins Okanagan Valley bis nach Okanagan gemacht habe.


Das "berühmte" Okanagan Valley hatte ich auf meiner Route eigentlich absichtlich ausgelassen, weil ich mir nicht allzu viel davon versprach. Wenn ein Tal im Westen Kanadas wegen seines milden Klimas als Gartenland von BC mit Obst- und Weinanbau gepriesen wird, dann mag das für West-Kanada und Kanadier ja etwas Besonderes sein, aber konnte es auch mit einem speziellen Charakter einem europäisch verwöhnten Reisenden begeistern?



Nein, das konnte es nicht. Es war so, wie ich es vermutet hatte. Eingebettet in eine zur jetzigen Jahreszeit völlig ausgetrocknete, braune hügelige Berglandschaft glänzten im Tal mehrere Seen und an deren Rändern dort, wo bewässert wurde, auch kleine Obst- und Weinplantagen. Das mag im südlichen Teil des Tales noch verstärkt hervor treten, aber mich hat das nicht vom Hocker gerissen. Ganz nett anzuschauen, aber eine Reise aus dem fernen Europa ist das ganz bestimmt nicht wert. Kann man also getrost auslassen, es sei denn, man ist totaler Kanada-Freak.

Zumal das Okanagan Valley ein Freizeitparadies der West-Kanadier ist. Nach Vancouver Island natürlich. Für seine Freizeit braucht der Kanadier dreierlei: Boot, Fischen, Golf. Mehr habe ich nicht heraus finden können, einzelne Events eben wie Mountain Biken in Whistler. Aber normalerweise reicht ein Boot, das auch sehr groß sein darf, also ein Hausboot, so wie die RV's, die hier meterlang auf den Straßen fahren, rollende Luxus-Appartements, die man sich fürs Weekend auch ausleihen kann, die Boote ebenso wie die RV's. Zum Fischen reicht natürlich auch was Kleineres, ein kleines Boot mit riesigem Mercury Außenborder, das muss es allerdings schon sein. Rudern tut hier niemand. Kayak vielleicht noch, aber das benutzen mehr die Touristen (auch die kanadischen). Und für die Freizeit am See hat man natürlich auch ein Haus oder Condo am See, was bedeutet, dass die Seen zumindest im Okanagan Valley komplett Privatufer sind, ist kaum ran zu kommen, denn hier gibt es keine Provincial Parks wie in Vancouver. Bootsrampen, die gibt es natürlich. Und Golfplätze. - Fand ich alles nicht so wahnsinnig dolle.

Überhaupt die Kanadier. Offiziell versucht sich Kanada ja sehr vom großen Bruder im Süden abzugrenzen. In gewisser Weise klappt das ja auch (Umweltschutz, Sozialversorgung, Dezimalsystem, Rechtssystem), aber der Einfluss der US-Food-Industrie (TV-Werbung)  ist einfach zu groß. Man isst so irrsinnig wie in den USA: Viel, fett, andauernd. Entsprechend sehen sehr, sehr viele Kanadier aus dem Westen auch aus: wie der typische Kalifornier halt, total fett und übergewichtig. Eigentlich sieht man sie immer kauend. Aber nicht Kaugummi. Gegessen wird ständig, eine Hand in der Chips-Tüte, die andere am Cell-Phone, so stehen sie dann vor dem Wasserfall und staunen, dass es so etwas nicht nur im Fernsehen gibt. Ich karikiere nur sehr wenig. So ist es in den USA ebenso wie verbreitet in Kanada. Das zu sehen ist für mich immer wieder ein Kulturschock, aber ein abstoßender. Möge es so schlimm in Europa nie werden!

Zurück zur Fahrt. Der erste Teil, nämlich die 100 km von Lillooet bis Cache Creek, also praktisch bis zum Trans Canadian Highway (TCH), war sehr eindrücklich. Eine solche Trockenzone hatte ich hier nicht vermutet, sah irgendwie aus wie weit unten im Südwesten der USA, Arizona vielleicht. Und das so hoch im Norden, die Berghänge voller Lavendel-Büschen, unglaublich. Das ging eine ganze Zeit so. Dann ging es aber wieder ostwärts, endlich auf die Rockies zu.

Das bedeutet: Das Grün des Farmlandes in den Tälern verschwindet, es herrscht nur noch dunkler Fichtenwald vor, dazu immer steilere Berghänge, die den Fels nackt hervor treten lassen. Viel immer höher aufragender Fels mit den hier als einzigem Baum gedeihenden Fichten, ab und zu Seen, das sind die Rocky Mountains: "Felsengebirge" zu Deutsch. Es fehlen noch die grandiosen Schneespitzen und die Gletscher samt Gletscherseen - aber die kündigen sich heute schon an, wenn ich aus meinem Fenster sehe, und das wird in den nächsten Tagen noch viel gewaltiger, so denn das Wetter es zulässt. Morgen will ich als "Vorgeschmack" auf noch Größeres in den Mt. Revelstoke Nationalpark.

Ein Wort zu meinem heutigen Hotel, für 2 Nächte: Der pure Luxus - kommt nach zwei Tagen auf der Straße wie gerufen. Es ist eine feudale Herberge im Winter, die jetzt im Sommer offenbar zu niedrigen Preisen an Reisebüros verhökert wird. Im Winter könnte ich das Appartement, das ich jetzt bewohne, kaum bezahlen. Skilift vor der Haustür, eine (!) Piste gibt gibt es auch, aber Helikopter-Skiing ist hier total angesagt. So viel zum Thema "Nachhaltigkeit". Nun, egal, ich genieße den Komfort eines Luxushotels für einige hundert Gäste (derzeit sind gerade mal ein paar Hände voll hier), mit schönem Balkon, noch schönerem Ausblick und einer eigenen Waschmaschine plus Trockner neben der Paintry - läuft schon...

Das sind schon fast alle brauchbaren Bilder, wer sie und ein paar mehr im Webalbum sehen möchte, klicke HIER.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen