Dienstag, 28. August 2012

Unerwartete Schönheiten

Überraschungen kommen ja bekanntlich unerwartet. So überraschend war meine morgendliche Fahrt durchs Tal des Columbia River, so unerwartet war für mich die Schönheit dieses Morgens, dieses weiten und fast lieblichen Tales. Eigentlich war es nur die nötige Anfahrtstrecke, um südlich den Kootenay National Park (sprich: Kútni) zu erreichen. Im Reiseführer wurde diese Strecke schlicht übergangen, dabei gehört sie zum Schönsten, was ich bisher in den Rocky Mountains durchfahren bin. Es war nichts Spektakuläres, einfach der Gesamteindruck, zusammen mit dem Sonnenaufgang und der herrlichen Ruhe. Kaum ein Auto begegnete mir dort auf der gut ausgebauten Straße (BC-95). Gesäumt von einer höheren Gebirgskette im Osten, über der die Sonne aufging, und sanfteren bewaldeten Bergen im Westen, wurde das Tal vom Columbia River durchflossen, der dann ja bei Portland (Oregon) in den Pazifik mündet. 

Der Fluss hatte viel Platz und sich dadurch ein riesiges Feuchtgebiet geschaffen, mit Sümpfen und Seen, die Columbia River Wetlands - kein Naturpark, ich weiß nicht, ob es ein Schutzgebiet ist - oder ob der Mensch die feuchte Flussniederung einfach nicht brauchen kann. Jedenfalls ist es eine landschaftliche Idylle, die jedem Freund von Feuchtbiotopen das Herz höher schlagen lassen würde. Was wird nicht alles getan, um ein paar Kilometer der Donau oder des Inn mit den Auwäldern zu erhalten; hier gibts das alles frei und üppig. Am Westrand, etwas erhöht durch den eiszeitlichen Schutt der Berge, wird Landwirtschaft betrieben, Rinderweiden gab es da zu sehen. Und schmucke Häuser und Ranches, eine Pracht. Das scheinen auch einige Kanadier zu entdecken, denn es gab überall Angebote von B&B und auch viele neue kleine Häuser neuer Siedler. Die 80 km bis Radium Hot Springs waren also eine unerwartet genussreiche Fahrstrecke!

Radium Hot Springs heißt tatsächlich ein kleiner hübscher Ort, von dem die Straße BC-93 abzweigt, die durch den Kootenay National Park Richtung Banff führt. Es gibt dort heiße Quellen mit geringem Radiumanteil, die man dort in einem Pool ausprobieren kann, bei älteren Besuchern offenbar sehr beliebt. Von da an ging es weiter in den Kootenay hinein, der südwestlich direkt an den Yoho NP im Norden und den Banff NP im Osten anschließt. Er wird meist ausgelassen, viel ist dort nicht los, auch gibt es hier wenig Spektakuläres, aber der Gesamteindruck zählt. Mir hat es die Landschaft des Kootenay sehr angetan: Alpin, aber nicht schroff, weit und üppig bewaldet. Die eiszeitlichen Gletscher haben nicht nur die Täler des Kootenay geformt, sondern auch den einen oder anderen beachtlichen Canyon oder schönen Wasserfall bzw. tiefe Klamm (Marble Canyon) geschaffen. Absolut sehenswert. 

Nun hat aber im mittleren Teil des Kootenay vor mehreren Jahren ein „wildfire“, also ein natürlich entstandener Waldbrand große Flächen der Wälder hingerafft. Das sieht jetzt natürlich nicht so schön aus, ist aber eben „natürlich“ so, und da es ein Nationalpark ist, wird nicht eingegriffen, sondern man gibt ihm Zeit, sich selber zu regenerieren. Das kann man gut an dem jungen Wald sehen, der zwischen den vertrockneten „Baumleichen“ empor wächst. Ich habe 7 oder 8 Ringe gezählt, das ergibt die Jahre seit dem letzten Brand an der jeweiligen Stelle. Es wird weitere 20 Jahre dauern, bis der Wad wieder hoch gewachsen und schön anzuschauen ist. Wenn es nicht wieder brennt, denn irgendwo (wie auch jetzt) brennt es immer im Kootenay. 

Ein Seitental war deshalb unzugänglich, die Trails gesperrt, das Feuer wird beobachtet, mehr nicht. Nur die Straße hat man offensichtlich stets feuerfrei gehalten. Es ist sehr eindrucksvoll zu sehen, was es bedeutet, in einem großen Areal wirklich der Natur ihren Lauf zu lassen. Das ist nicht immer Tourismus fördernd, zumal die Rauchschwaden heute bei entsprechender Windrichtung bis Banff (Village) reichten und dort alles mit einem Rauchschleier vernebelten. Mich hat der Kootenay, der an seinem nordöstlichen Ende wieder wunderbar grün war, sehr beeindruckt. An seinem Ostrand verläuft nicht nur die Grenze zwischen British Columbia und Alberta, sondern auch die kontinentale Wasserscheide zwischen Pazifik und Atlantik. Ich befinde mich also jetzt schon wieder, Tausende Kilometer entfernt, auf der atlantischen Seite - very strange!

Banff selbst hat mich ebenfalls sehr angenehm überrascht, kein Vergleich mit Whistler. Es ist ein wunderschön gelegener nobler Hochgebirgsort (1300 m hoch gelegen) in einem weiten, waldigen Tal mit Seen und einer eindrucksvollen Bergkulisse drum herum. Natürlich war da viel los, aber dennoch sehr viel angenehmer als in Whistler. Es war warm, man saß draußen, flanierte, ich hab es genossen. Hat durchaus den Charakter eines alpinen Touristenzentrums wie Grindelwald oder Zermatt oder St. Moritz. Nur Schneeberge, die gibt es hier noch nicht zu sehen, die Felsenberge sind hier so rund 2500 m hoch. Die höheren und vereisten Gipfel kommen erst weiter nördlich, angefangen mit Lake Louise. 

Da bin ich nun gelandet, in einer sehr romantischen Lodge, nahe beim See, davor liegt nur wieder solch ein geschichtsträchtiger Hotelkasten wie das berühmte Banff Spring Hotel, hier ist es das Lake Louise Fairmont Hotel; Fairmont betreibt ja auch den Banffer Nobelschuppen. Klar gibt es hier Autos, Busse, Massen, die den sagenhaften See bestaunen - und er ist atemberaubend vor der hohen Eis- und Bergkulisse. Aber davon morgen mehr.

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