Der Tag im Jasper National Park war ein ruhiger und durchaus gelungener Abschied von den Rocky Mountains. Jasper ist berühmt für seine vielen zauberhaften Seen in den Wäldern zwischen den Bergen. Einige davon habe ich besucht, besonders den nahe gelegenen Pyramid Lake, gleich morgens, so dass mir fast ein ausgewachsener Elk (Hirsch) Bulle (die sind wirklich groß!) vors Auto lief - nein, er graste friedlich am Straßenrand und ließ sich in Ruhe fotografieren. Wunderschön sind besonders die Spiegelungen im Wasser, ihr werdet das bald auf den Fotos selber sehen können.
Dann ging es 40 km von Jasper durch das Maligne Valley am Medicine Lake vorbei zum berühmten Maligne Lake. Er präsentierte sich aber nicht von seiner schönsten Seite, denn es war lausig kalt und wolkenverhangen. Zumindest sah man die Gipfel noch. Ich hatte mir einen Trail zum Bald Hill vorgenommen, 4 - 5 Stunden bergauf, um einen schönen Rundblick zu haben. Das habe ich aber nur teilweise umgesetzt, bin immerhin bis dahin aufgestiegen, bis der Wald lichter wurde und man schön auf den See und die Berge drum herum sehen konnte. Zur Gipfelkuppe war es noch ein ganzes Stück weiter, als ich dann doch umgekehrt bin: es war trübe und kalt und versprach nicht besser zu werden. Außerdem war kaum jemand auf diesem Weg unterwegs. Da bekommt man dann schon etwas Muffe im Bärenland.
Ich beschreibe das mal etwas genauer. Es gibt hier nur zwei Trails jeweils links und rechts vom See, die führen natürlich mitten durch die Wildnis. Wildnis heißt hier zunächst einmal Wald, viel Wald, nur Wald. Selbst wenn es ein borealer Fichten- und Kiefernwald mit recht lichtem Unterholz ist, bleibt er doch völlig undurchdringlich, man sieht nur wenige Meter hinein. Urwald halt, arktischer Nadel-Urwald in dieser Höhe, ca. 2000 m. Da kann man das Märchen von „Hänsel und Gretel“ auf einmal ganz neu verstehen lernen: Wald in seiner ungebändigten, wilden Form hat etwas Bedrohliches. Das haben ja auch die Römer unter Varus zu spüren bekommen. Die Germanen als „Waldmenschen“, d.h. Barbaren, waren ihnen unheimlich, Man hört auf jedes Knistern, lauscht und schaut, ob sich etwas bewegt. Ein Wolf? Ein Bär vielleicht? Und dann? - Nach einer Weile gewöhnt man sich auch an diesen Wald, aber er bietet eigentlich wenig Reize (doch natürlich: Beeren und Pilze!), man wandert da nur durch. Gibts keinen gebahnten, angelegten und gezeichneten Pfad, kommt man nicht durch. Neue Erfahrung.
Auf dem Rückweg, nach meinen Fotos von oben auf den Maligne See, sah ich vor mir auf einmal etwas Braunes sich bewegen. Oha. Es war hellbraun, auch schlank. Kein Bär. Ein junges Caribou, wie sich heraus stellte. Später sagte mir ein Ranger, den ich danach fragte (von wegen ohne Herde), das sei ein krankes Tier gewesen, das man aufgezogen habe. Nun bleibe es immer sehr dicht bei den Menschen. Aha. Gut dass das mit den Bären nicht so ist. Die sind tagsüber meist versteckt und ruhen, bis sie wieder am Abend (und vorher am Morgen) aktiv auf Nahrungssuche gehen. Über Mittag ist also die beste Zeit zu hiken, wenn man von ihnen möglichst unbehelligt bleiben will. Außerdem ist am Trailhead auf Tafeln angeschlagen, ob in diesem engeren Areal von Wanderern gerade Bären gesichtet wurden. Das heißt natürlich nicht allzu viel, aber gibt einen Hinweis. Derzeit befanden sich die Tatzentiere offenbar lieber auf der anderen Seite des Sees.
Auch einen Bären muss man durchaus mal nahe und „von Angesicht zu Angesicht“ gesehen haben. Dann verliert er alles Niedliche. Bären sind wunderschöne Geschöpfe, optimal an ihren Lebensraum angepasst, aber es sind wilde Tiere, Raubtiere: Raubtiergesicht. Vorsicht tut da auf alle Fälle Not. Wie steht es immer warnend auf den Schildern? „Stay away from bears. Every bear is dangerous.“ Tja, und dann hockt da am Straßenrand so ein junger Schwarzbär (hier übrigens auch nicht viel kleiner als die Braunbären = Grizzlies), und die Menschen steigen aus den Autos aus und bestaunen den possierlichen „baby bear“. Na ja, ich dachte nur, die Mutter kann nicht weit sein...
Fremde Natur, wilde Wälder, felsige Berge, Kälte, Eis und lange Monate viel Schnee (6 - 8 Meter jedes Jahr im Maligne Valley), das sind die Rocky Mountains, nur in den Naturparks den Menschen ein wenig zugänglich. Die Wanderkarte vom gesamten Jasper NP ist ein kleines Faltblatt, kleiner als die Karte von Oberstdorf, dabei ist das Gebiet dieses Nationalparks so groß wie ganz Oberbayern. Das ist gewaltig, das ist alles wahnsinnig beeindruckend. Ob dafür der Ausdruck „schön“ passt, sei einmal dahin gestellt. Für manche wunderschönen Impressionen an den Seen gilt das bestimmt. Aber letztlich zeigen uns diese Berge, diese Wildnis, diese pure Natur eine Grenze auf. Die Grenze der Zivilisation. Das macht sie wohl so faszinierend, die wilden Rocky Mountains in Kanada.
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